Pianistin Annika Treutler mit #respondinmusic zu Gast
Am 24. September 2020 gastierte #respondinmusic an der Mont-Cenis-Gesamtschule Herne. Mit diesem Projekt erinnern die bekannte Pianistin Annika Treutler und ihr Ensemble an jüdische Künstlerinnen und Künstler, die – anders als Musikerinnen und Musiker heute – nicht die Möglichkeit hatten, ihr Leben und ihre künstlerische Kreativität zu entfalten, weil sie unter Krieg und Verfolgung zu leiden hatten.
Das Projekt #respondinmusic hat es sich mit einer großangelegten deutschlandweiten Schultour zum Ziel gesetzt, diese Stimmen nicht verstummen zu lassen, sie live darzubieten und mit Schülerinnen und Schülern ins Gespräch zu kommen.
Das vierköpfige Ensemble spielt an diesem Vormittag in der neuen Mensa Werke von Viktor Ullmann, Adolf Strauß, Paul Hindemith, Maurice Ravel, Oliver Messiaen, Glenn Miller. Die jungen MusikerInnen betonen, dass für sie im Mittelpunkt ihres Projekts stehe, mit ihrem Publikum ins Gespräch zu kommen und Brücken zu bauen. Sie möchten die Reaktionen der Schülerinnen und Schüler direkt erleben, weil sie sonst - auf der Bühne und weit weg vom Publikum - kaum die Gelegenheit dazu haben. Rund 25 SchülerInnen des Musikprofils des zehnten Jahrgangs und 14 SchülerInnen des Geschichtsgrundkurses der Q2 sind dazu eingeladen - unter strengen CORONA-Hygienemaßnahmen.
Als das Ensemble das französische Chanson „Youkali“ von Kurt Weill (1900-1950) spielt, das eine paradiesische Phantasiewelt entstehen lässt, spürt man, wie der Funke überspringt. Sängerin Sarah Aristidou (Sopran) erklärt: „Das Lied handelt von Youkali - einer Insel am Rande der Welt - das Land von Glück und Freude, wo Liebe geteilt wird. Der Text sagt, dass es diese Welt nirgendwo gibt. Ich denke, jeder Wandel, den wir uns wünschen, beginnt in uns selbst.“ Und dann erzählt sie, wie sie auf der Insel Zypern aufwuchs, und dass der Krieg dort in den Menschen Hass hervorbrachte und fügt hinzu: „Doch die Antwort kann nicht Hass sein.“ Ganz leise hört man ein leises „doch“ aus den Zuhörerreihen. Und man spürt, wie sehr die Schülerinnen und Schüler die musikalische Botschaft emotional auffassen und davon berührt werden. Nach dem letzten Stück, dem in aramäisch gesungenen „Kaddish“ von Maurice Ravel, spenden die Schülerinnen und Schüler begeisterten Applaus. Als die Schulleiterin Sylke Reimann-Perez, selbst sichtlich bewegt, fragt, wie ihnen das Konzert gefallen hat, sagt Mohamed: „Toll. Dieses Lied traf direkt in mein Herz.“ Und Can erklärt: „Wir sind hier sehr vielfältig. Das macht uns aus. Das gibt’s nicht überall.“ Annika Treutler und ihr Ensemble möchten mit ihrem Projekt genau das erreichen: Die Jugendlichen erreichen, Brücken bauen und einen Beitrag für eine offene, kreative und verantwortungsbewusste Gesellschaft leisten.
Dabei sind an diesem Vormittag neben dem Herner Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda und dem Sodinger Bezirksbürgermeister Matthias Grunert auch die Bundestagsabgeordnete und Staatsministerin Michelle Müntefering. Was sie zur Begrüßung sagt, kommt bei den Jugendlichen gut an: „Ich glaube, dass wir nicht nur durch die Tafel lernen, sondern durch die Begegnung. Und wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, dann waren das ganz bestimmt auch Lieder und Musik und Texte, die mich auch geprägt haben und politisch aufgeweckt haben. In der Begegnung mit dem Anderen, lernt man ganz viel über sich selbst.“
Ganz neu ist die Auseinandersetzung mit der Musik verfolgter Komponisten für die Schülerinnen und Schüler des Musikprofils des 10. Jahrgangs nicht: sie haben sich im Rahmen ihrer Teilnahme am Dr. Otto-Ruer-Preis 2020 in diesem Jahr intensiv mit jüdischer Musik beschäftigt. Für den Wettbewerb studierten sie selbst Musikstücke jüdischer Komponisten ein und besuchten die Synagoge der jüdischen Gemeinde Bochum, Herne, Hattingen in Bochum. Als Projektdokumentation entstand ein 12-minütiges Video „#jüdisch kochen - #jüdisch essen“, das unter diesem Link www.youtube.com/watch?v=ubI2gA1LZLw abgerufen werden kann.
Die Mont-Cenis-Gesamtschule beteiligt sich aktiv an der Erinnerungskultur der Stadt Herne. Eine Projektgruppe gewann im Jahr 2017 den Margot-Spielmann-Preis des Jüdischen Museums Westfalen in Dorsten mit dem Beitrag: „Die Geschichte der Familie Frank aus Herne-Sodingen“ und eine weitere Gruppe gewann im Jahr 2016 den Dr. Otto-Ruer-Preis mit einem Beitrag über die Herner Jugendjahre des späteren Bochumer Kantors Erich Mendel.
Die Veranstaltung wurde organisiert von Lena Falke (Leiterin Musikprofil) und Céline Spieker (Erinnerungskultur)
Website #respondinmusic : https://respondinmusic.de